über-setzen

Warum interessiert mich immer die Rückseite, die nach hinten durchschlagende Farbe fast noch mehr als ihre brillante Vorderseite ? Sie ist gefiltert, gedämpft, manchmal fast nur noch erahnbar - vielleicht sublimiert - gleichzeitig aber auch eigenartig gesteigert, potenziert. Dieses Wegnehmen und wieder Dazutun der Farbwirkung geht bei diesen Schnitt-Arbeiten auf eine zusätzliche Ebene, dadurch, dass in den geschnittenen und gedrehten Teilen Beides sichtbar bleibt. Der erste Schritt sind immer eine oder einige wenige Linien. Dann werden Teile der Zeichnungen nach dem Schneiden gewendet und / oder gedreht und neu an- oder eingepasst, oder auch mal herausgenommen. Für sich genommen ist das sehr einfach, das sind ganz banale, überschaubare Handlungen. Dann beginnt eine spannende, oft überraschende Knobelarbeit, die eher ein geduldiges Ausschau-Halten in einem Meer von Möglichkeiten ist, als ein gezieltes Übersetzen. Der Betrachter setzt sich meist unwillkürlich sofort in Bewegung, und versucht in meinen Fussstapfen zurückzumarschieren, immer „an den Schnitten entlang“ um herauszufinden, welches Teil eigentlich vorher wo war, es ist ja so offensichtlich, was hier gemacht wurde. Da schnurrt dann die ruhige Intensität des Gleichzeitigen – die jeweilige Kombination und die in der Zeichnung abgelegte und aufbewahrte Bewegung – plötzlich wieder auseinander wie eine aufgerollte Feder und zeigt ihren zeitlichen Ablauf, ihr Nacheinander ( oder eben auch nicht ! ). Insofern sind diese unscheinbaren, harmlos wirkenden, sehr klaren und sparsamen Tuschzeichnungen für mich gespannte kleine Federn, die nur darauf warten, dass ein Blick sie „auslöst“. Harald Kröner, 2011